Zu Gast bei HOMBRE

Ich war für euch letzte Woche bei einem der bekanntesten und besten Graffitikünstler Deutschlands, Pablo Fontagnier. Einige werden ih...

Hombre SUK

Ich war für euch letzte Woche bei einem der bekanntesten und besten Graffitikünstler Deutschlands, Pablo Fontagnier. Einige werden ihn eher unter seinem alter Ego HOMBRE von den Stick-Up-Kids kennen. Er hat sofort einem Interviewtermin zugestimmt und empfing mich in seinem kleinen, aber feinen Atelier in Nürnberg. Wie, in Nürnberg? Ja, für die, die es noch nicht gewusst haben, er ist seit ca. 2 Jahren in Nürnberg und veranstaltet auch des Öfteren Workshops an Schulen mit den Style Scouts. Er ist ein sehr auf dem Boden gebliebener, redseliger und offener Mensch, den man schon bei der ersten Begegnung kaum nicht mögen kann. Man merkt schon nach wenigen Gesprächsminuten, wie sehr er im Thema Graffiti drin ist und dass er schon weit gekommen ist mit seiner Kunst. Beim Stichwort „redselig“ lies er mich gleich zu Anfang wissen, „wenn du merkst, ich schwafel dich voll, halte mich einfach auf!“. Die Warnung habe ich zwar zur Kenntnis genommen und versucht darauf zu achten, dass es nicht ausufert. Schnell musste ich jedoch feststellen, dass man ihm mit jeder Kürzung unrecht tun würde. So habe ich mich auch dazu entschieden, euch nichts vorzuenthalten. Hier ist das ganze Interview, uncut und uncensored. ...und wer von HOMBRE nicht genug bekommen kann, dem sei die Website der Stick-Up-Kids (www.stick-up-kids.de) wärmstens empfohlen. Da findet ihr unter anderem viele Arbeiten, weitere Links zu Hombre´s Fanpage und noch weitere Informationen zu seinen Kompagnons. Viel Spaß damit!



Fangen wir zum Warmwerden mit einer einfachen Frage an: Du bist einer der renommiertesten Graffiti-Künstler in Deutschland. Sehr viele Menschen werden dich schon kennen, jedoch einige auch noch nicht. Für diejenigen, die dich nicht kennen, zähle einige Hard facts über dich auf! Was sollte man über dich wissen?

Also….man sollte wissen, ich male HOMBRE, das ist mein „Tag“ – mein Pseudonym. Ich bin Mitglied bei den Stick Up Kids (www.stick-up-kids.de). Ich habe 1995 mit Graffiti angefangen und male nahezu ausschließlich figürlich – sprich: keine Buchstaben, kein klassisches Style-Writing. Ich habe eine Grafikausbildung gemacht, was meinem Graffiti recht gut tat. Im Gegenzug dazu tat Graffiti auch der Ausbildung sehr gut. Ich stelle ab und zu aus, male also Leinwände. Ich reise sehr gerne und versuche jedes Jahr international rumzukommen. Glücklicherweise hat das auch jedes Jahr sehr gut geklappt. Somit konnte ich bisher ein paar Meilen runter reißen. 

Hombre SUKDas hört sich doch schon sehr gut an. Wer oder was hat dich denn auf deinem Weg maßgeblich beeinflusst? So sehr beeinflusst, dass du gesagt hast „ich will jetzt zeichnen“ und dann natürlich „ich will Graffitis malen“?

Beim Zeichnen muss ich sagen, das war natürlich schon vor dem Graffiti, wahrscheinlich, weil ich so ein Kind der 80er bin. Ich bin schon mit ganz viel Konsum aufgewachsen - mit einer Unmenge Cartoon-Serien, Comics - und ich bin auch ein totaler 16-Bit Videospielnerd (siehe Super Nintendo, Anmerk. der Red.). Diese ganze reduzierte Grafik mit schlichter Farbgebung hat mich schon immer wahnsinnig begeistert und ich fing an davon abzumalen.
Als Graffiti dazu kam, war das für mich die perfekt Ergänzung und meine Ausdrucksform. Damals sah ich die ersten Sachen von Cantwo, wo ich mir gesagt habe, „das finde ich optisch gut, das ist eine geile Richtung“ und Motwo war damals einfach nur Gott, der mir gezeigt hat auf welchem hohen Niveau man Graffiti technisch heben kann – was mit einer Sprühdose alles möglich ist.

Wie kam es eigentlich dazu, dass du dann mit Graffiti Geld verdient hast?

Mmmmh, puuuh….(überlegt kurz)…ich glaube, es war ganz klassisch, ein Bekannter hat angefragt, ob ich ihm die Garage anmalen kann oder ein Kinderzimmer. Das war einfach in der Nachbarschaft, wo man wusste, ich male Graffiti. Getreu dem Motto, „Ich habe sowieso eine Wand die mal wieder einen neuen Anstrich benötigt, also warum nicht gleich ein Graffiti. Dann brauche ich das Ding nicht selber anmalen.“ Dominik aus der 8b fragt Pablo ob er denn nicht mal vorbeikommen könnte mit seinen Sprühdosen…

Hombre SUK


Ja, wie das eben so ist am Anfang. Jetzt mal weg von deiner Person hin zum momentanen Status deiner Kunstform. Graffiti hat sich verändert, die sogenannte Street Art wurde geboren (wenn man sie denn nicht sogar als Zusatz zur bereits bestehenden Urbanen Kunstform des Graffiti betrachten kann) , beides ist kommerzialisiert worden und längst im Mainstream angekommen. Welches Résumé ziehst du? Was ist positiv, was ist negativ daran?

Zum Positiven: Ganz klar, das Spektrum ist viel größer geworden, es gibt viel mehr Ausdruckformen. Positiv wie negativ ist, dass die Materialien viel besser geworden sind. Dosen und Caps (Sprühkopf – Anmerk. der Red.) sind qualitativ besser als früher, es gibt viel mehr Hilfsmittel. Alles ist mehr auf Sprayer abgestimmt. Das macht den Einstieg zum Sprayen fasst schon zu leicht. Wenn heute Kids mit dem Graffiti-Malen anfangen, können sie sich auf YouTube Tutorials anschauen, sie können super Dosen kaufen. Sie sind meiner Meinung nach in einem halben Jahr so weit, dass sie technisch das Malwerkzeug Sprühdose bestens beherrschen können. Dummerweise ist man normalerweise in dieser Zeit noch nicht soweit, einen coolen Style , geschweige denn, einen eigenen Style zu haben. Früher war das so: Du hast viel länger gebraucht, ein sauberes Bild an die Wand zu bekommen. So konntest du auch parallel darauf achten, dass dein Style einigermaßen stabil war - einen guten Style entwickeln.  Dieser Aspekt fehlt heute, du hast quasi keinen Indikator dafür, wann du einen Schritt nach vorne gemacht hast. Deswegen leiden ganz viele Leute unter Selbstüberschätzung, weil sie gerade einmal ein viertel Jahr malen und einen geraden Strich hinbekommen und meinen sie wären es. Das ist für mich auf grund dessen negativ wie positiv zu betrachten.

Hombre SUK

Ansonsten finde ich, dass dieses Medium Street Art leider Gottes so krass in den Vordergrund gerückt ist. Heute ist ja Street Art komplett in der Mitte angekommen, alle finden es toll, alle verstehen es und hat Graffiti im Grunde genommen, wieder auf einen „Schmuddelplatz“ verdrängt. Es gibt ja immer einen sog. internen Krieg zwischen Graffiti und der heutigen Street Art. Das liegt einfach daran, dass, wenn wir ehrlich sind, Street Art, aus einem technischen Blickwinkel betrachtet, grundlegend nicht so schwierig ist. Eine Schablone schneiden ist, mal lapidar ausgedrückt, keine Heldentat und ein Paste-up plakatieren auch nicht. Das heißt, zumindest in meinen Augen, sollte bei Street Art die Idee viel mehr im Vordergrund stehen (man nehme Banksy- Anmerk. d. Red.). Zusammen, eine gute Idee, eine gute Message, oder ein gutes Aussehen, also eine gute Umsetzung, dass sind die Dinge die mich dann am Ende wirklich begeistern. Leider Gottes ist es auch wirklich oft so, dass viele bei der Google-Suche „Stencil“ eingeben und sich aus der Ergebnisliste die hunderttausendste Amelie (aus der fabelhaften Welt der Amelie – Anmerk. d. Red.) rausziehen…und ja…leider hat man das schon einmal irgendwo gesehen. Anders gesagt, nur weil es der "Ottonormalbürger" erkennt, dass da an der Wand der Ché Guevara hängt ist es dann gut? ...und weil er dann ein Chrome bombing (Schnelles, meist mit schwarzer Farbe aufgetragenes Namenszeichen in geschwungener Schrift – Anmerk. d. Red.) nicht entziffern kann, ist das deswegen schlecht? Dass der Graffitikünstler vielleicht seit über 20 Jahren an seiner Typografie feilt wird dabei völlig außer Acht gelassen. Das finde ich dann doch irgendwie unfair und wenn der ein oder -andere Writer angepisst ist, ist das nur nachvollziehbar…muss ich jetzt einfach mal so gestehen.

Das klingt jedenfalls nachvollziehbar. Gut, kommen wir nun zu einem weiteren Aspekt deines Schaffens: Du bist ja auch für Jugendliche sehr engagiert – mit den Style Scouts veranstaltest du Graffitiworkshops – wie hat sich das ergeben und wie kommt das bei den Leuten an?

Ergeben hat es sich dadurch, dass ich in meiner Heimatstadt Mannheim früher schon sehr viele Workshops gegeben habe. Zugegebenermaßen auch schon gemeinsam mit Leuten, die selber eher ein abschreckendes Beispiel waren. Warum es so war, lässt sich einfach erklären: Es fehlte einfach das Bindeglied zwischen Kunde und Serviceleister. Soll heißen, du willst jemanden haben, der deinem Kind in der Schule Graffiti beibringt, aber wen fragst du? Wartest du Nachts unter einer Autobahnbrücke, bis ein echter Graffitisprüher vorbeikommt und fragst den? Das ist natürlich eher Humbug. Du versuchst auf einer legalen Basis jemanden anzusprechen und hoffst, dass er Ja sagt. Du gibst schließlich dein Kind für ca. 8 Stunden in die Obhut eines völlig Fremden und im besten Fall ist es so, dass dieser tatsächlich Graffiti beherrscht, aber ob er sozial kompetent ist, sei mal einfach dahingestellt. Oft war es so, dass schlimmstenfalls der Graffitikünstler weder sonderlich begabt war in dem was er tat und gleich gar keine soziale Kompetenz besaß. Dann gab es noch das Mittelmaß, wo zumindest eine Kernkompetenz vorhanden war, aber im Normalfall war die durchschnittliche Lehrqualität ziemlich mies.

Ich finde es sehr wichtig, die Kids da auf einen richtigen Weg zu bringen, sie richtig zu „scouten“. Es gibt sehr Vieles worauf man beim Graffiti achten muss, sei es die Technik bis hin zum richtigen Umgang mit den Farben. Wo kommt Graffiti eigentlich her, wie hat es sich entwickelt, warum wurde es auf Zügen gemacht. Sie erfahren aber auch, warum die Sprühdosen schädlich sind, was sie der Gesundheit antun können, wie sie sich dagegen schützen. Sie erfahren auch wie das aktuelle Recht ist, wie sie rechtlich belangt werden können, sowohl von Staat wie Privatpersonen bei illegalen Aktionen. Es ist ein Rundum-Paket, bei dem mitgemacht werden muss. Es ist kein Workshop, bei dem Kinder nur bespaßt werden. Wir versuchen Ihnen Werte der Kunst zu vermitteln und zollen gleichzeitig auch der Sprüherszene damit Respekt. Leute wie Carlos (Crow One, zweiter Workshopleiter – Anmerk. d. Red.) und ich wurden ja regelrecht von Graffiti erzogen. Diese großen Worte wie „Respekt, Teamwork, Zusammenhalt“ wurden uns nebst unseren Eltern von Graffiti beigebracht.

Die Art wie wir es machen, scheint anzukommen. Das Feedback hier aus der Gegend war jedenfalls bisher immer sehr gut, sowohl von den Kids, wie von den Lehrern. Oft sind gerade Lehrer erstaunt, wie gebannt ihre Schüler sich satte 3 Stunden Theorieteil über Graffiti anhören. Versucht das mal mit dem selben Pensum Geschichtsunterricht hin zu bekommen! Allein beim Versuch bekommen die Schüler einen Kotzanfall! (lacht)
Es wird mitgemacht und zugehört und man merkt, wie es allen gefällt. Das finde ich sehr schön. Die Kinder haben etwas davon und die Lehrer fühlen sich natürlich auch sehr wohl in ihrer Rolle.

Hombre SUK
Das hört sich nach einem sehr harmonischen Miteinander an. Ob mit den Style Scouts oder alleine, was waren so deine ungewöhnlichsten Aufträge? 

Eine prägende Erfahrung hatte ich vor ca. zwei Jahren. Da wurde ich von der Firma Snipes nach Shanghai eingeladen. Zum einen, hallo, ich war in Shanghai und zum anderen war es natürlich eine Ehre für mich da etwas machen zu können. Shanghai hat genauso wie Russland, eine sehr junge und hungrige Szene. So mangelt es dort natürlich noch an erfahrenen Künstlern. Snipes eröffnete zu diesem Zeitpunkt  einen neuen Store in Shanghai und wollte diesen natürlich mit angesprühten Wänden haben, es fehlte jedoch einfach zu dieser Zeit an Künstlern, die kompetent genug waren ihre Anforderungen zu erfüllen. Es stellt sich so dar; es gibt eine sehr große Nachfrage, einen hohen Anspruch und sehr viel Geld, jedoch nicht genug Künstler, die den Bedarf decken können. Im Fall Snipes, waren wir also zu viert, die aus Deutschland eingeflogen wurden, alle Kosten wurden übernommen und wir konnten die Wände des Ladens vollsprühen. Das ist für mich eine sehr positive Entwicklung, man wird wie ein Künstler behandelt, man wird ernst genommen. Hätte ich das jemandem vor 20 Jahren erzählt, wäre ich ausgelacht worden.

Ein weiteres prägendes Erlebnis hatte ich in Moskau, wo sich anfangs genau das für mich bestätigte, was ich von Moskau gedacht habe: Alles sehr schäbig, melancholische Stimmung  und den Leuten geht es sehr dreckig. Wenn du mit den Augen eines Graffitikünstlers durch die Straßen gehst, merkst du an den Bildern, - triste, gedeckte Farben - dass sich diese Stimmung auch da wiederspiegelt. Da gibt es nicht mal ein Pink oder Neongelb, eher Erbsensuppe und Beige. Das war auch ein teils sehr beklemmendes Gefühl zu merken, dass diese Stimmung allgegenwärtig ist. Selbst in meiner Komfortzone, dem Sprühen, habe ich mich nicht frei davon machen können. Das schwappt sehr schnell über. Es war eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich mitgenommen habe.

Das klingt nach „schon-sehr-weit-herum-gekommen“. 

Ja, dafür bin ich auch sehr dankbar. 

Du, als erfahrener Künstler und Selbstständiger, was würdest du jungen Künstlern empfehlen, die sich mit ihrer Kunst selbständig machen wollen?

Man sollte sich anfangs unbedingt überlegen, was man machen möchte. Möchte man in Galerien ausstellen oder lieber Auftragsarbeiten annehmen - ob auf Leinwand oder digital sei jetzt dahingestellt. Das sind in meinen Augen, zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Wer beispielsweise Auftragsarbeiten machen möchte, muss das zu 100% betreiben und ganz eigene Regeln beachten. Wichtig ist vor allem, sich eine Preispolitik zurecht zu legen und einen geeigneten Umgang mit Kunden zu beherrschen. Ich bin da selber ein eher schlechtes Vorbild – seit ca. 8 Jahren selbständig und ich kann bis heute nicht richtig Preise verhandeln oder mich gut verkaufen. Es sollte jeder einfach mal da reinschnuppern, ob einem das liegt oder eben nicht. Es fließen viele Aspekte mit ein und ganz viele Kreative sind auch nicht wirklich gute Geschäftsleute. Viele lassen sich deswegen auch gerne über den Tisch ziehen und werden dadurch leider auch immer frustrierter und verbitterter. Wer also Selbständig unterwegs ist, dem sei ans Herz gelegt, es auch als Business zu betrachten und wer das nicht kann, sollte sich auf jeden Fall jemanden suchen, der diese Tätigkeiten für ihn übernehmen kann.

Wenn wir jetzt einmal über die berufliche Zukunft reden, wo siehst du dich da?

Also, wenn ich ehrlich bin. Meine Ziele im Graffiti habe ich mehr als erreicht. Ich bin Teil der sagenhaften Crew Stick-Up-Kids, das alleine schon ist mehr, als ich mir jemals hätte erträumen lassen. Und ansonsten, wünsche ich mir eigentlich nur, dass ich so weitermachen kann wie bisher, bis ich zu alt bin um es machen.

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Genügsamkeit ist eine Tugend. Noch eine Frage zum Schluss: Was wären deine letzten Worte, bevor du einem psychopathischen Graffiti-Hasser zum Opfer fallen würdest?

Oh…(überlegt eine Weile). Das wüsste ich jetzt gar nicht. Ich würde wahrscheinlich gar nichts sagen, weil ich eher dazu neige, jemanden zu Tode zu schwafeln. Ich würde wahrscheinlich eher noch kurz in dieser Sekunde überlegen, ob ich alles erreicht habe in meinem Leben, was ich mir jemals vorgenommen habe.
Aber es ist ja nicht alles immer Graffiti. Man sollte seine Arbeit schon ernst nehmen, aber es gibt einfach Dinge im Leben die insgesamt wichtiger sind. Meine Message wäre eher: Sei ein guter Mensch! 


Ein wunderbares Schlusswort. Pablo, vielen Dank für das Gespräch!

   

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