Mit Kid Crow und Amos zu Kaffee und Kuchen

Nachtrag: A uf ausdrücklichen Wunsch eines damaligen Interviewteilnehmers bitten wir zu berücksichtigen, dass die hier zu lesenden...





Nachtrag: Auf ausdrücklichen Wunsch eines damaligen Interviewteilnehmers bitten wir zu berücksichtigen, dass die hier zu lesenden Anmerkungen und Gedanken aus der Sicht eines Urgesteins und eines relativ frisch zugezogenen Künstlers sind. Diese Aussagen entsprechen nicht mehr zwingend den heute vertretenen Meinungen zur hiesigen Szene, da es sich um ein Interview aus dem Jahre 2012 handelt. Das Interview ist in seiner Gesamtheit als Exkurs der Gedanken zu verstehen. Die damals vertreten Meinungen können letztlich auch einfach mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen werden. –Die Redaktion


Am Wochenende traf ich mich mit Kid Crow und dem sog. Amos zu einer kleinen Talkrunde im Café "la ola" um über die derzeitige Situation der hier aktiven Graffiti-Szene zu sprechen. Zwar war der Schwerpunkt tatsächlich auf Graffiti, dennoch ergaben sich im Gespräch Erkenntnisse zur allgemeinen urbanen Kunst/Kultur und gute Lösungsansätze, wie ihr, der schwächelnden Szene, wieder auf die Beine geholfen werden kann. Dir, dem passionierten und interessierten Leser mute ich zwar einen sehr umfangreichen Bericht zu, jedoch wäre jede Vorenthaltung auch hier wieder reinste geistige Kastration. Also, den Chai-Latte mit Vanilla-Soy-Low-Fat-Low-Carb to go in die Hand, aus dem Arbeitsalltag ausklinken und gediegen einen kleinen Lese-Marathon hinlegen. (Gesichter auf den Fotos wurden dilettantisch geschwärzt und echte Namen bewusst weggelassen)







Dingo: So, ...haben wir hier Ton? Gut. Wir läuten die Diskussion mit einer kleinen Vorstellungsrunde ein. Bitte stellt euch doch kurz vor und wir starten daraufhin auch direkt durch mit unserem Talk!

Kid Crow: Ja, mein Künstlername ist KID CROW und ich bin jetzt seit ca. 96/97 aktiv (Anm. d. R.: als Graffitikünstler natürlich). Ich lebe seit 2009 in Nürnberg und versuche nach wie vor meine Kunst so gut es geht voranzutreiben und es ist, wie ich feststellen musste, mit Sicherheit nicht der fruchtbarste Boden hier in Nürnberg. Jedoch sehe ich das auch als Chance. Wir, also in erster Linie meine ich jetzt die Style Scouts, versuchen wieder eine gewisse Grundsensibilität für Graffiti zu vermitteln. Sprich, wir versuchen da möglichst mit Aktionen und unseren Workshops wieder einen Anstoß zu geben und hoffen natürlich, dass sich vielleicht die Szene hier auch wieder versucht miteinander zu vernetzen. Da habe ich wirklich einen Drang danach, etwas zu bewegen. Wie sich das entwickeln wird, lässt sich letztlich erst später sagen. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn etwas in Nürnberg gehen würde.

Dingo: O.K. AMOS, jetzt hast du gerade erst das erste mal in deinen heiß ersehnten Käsekuchen reingestochen und jetzt darfst du schon mit trockener Fresse losreden. (Einstimmiges Gelächter)

Amos: Das ist sogar schon Kuchen Nummer 2 heute. Wie du schon erwähnt hast, mein Name AMOS, ich male seit ca. 10 Jahren in Nürnberg. Anfangs, klar, war ich weniger aktiv. Somit, richtig an der Wand aktiv bin ich seit ca. 6 Jahren. Angefangen habe damit in Fürth, damals noch im alten Lindenhain. Zu dieser Zeit gab es noch einige Stellen wo man malen konnte. Über die Jahre ist immer mehr weggefallen. Heutzutage hat man als Sprayer noch die Desi, die Rothenburgerstr. oder eben etwas in Erlangen, aber zumindest da versuche ich regelmäßig meine Sachen zu malen und ja, was K.C. meinte mit Nürnberg, da lässt sich nur sagen: In Nürnberg geht leider wirklich nicht so viel. Zumindest was Graffiti angeht hast du eben nur die üblichen Verdächtigen, die wirklich was draußen machen, aber so ein richtiges "Movement" ist nun leider nicht in Nürnberg. Das war aus meiner Sicht schon immer so. Jeder kocht so sein eigenes Süppchen, du hast ein paar kleine Gruppierungen und die agieren leider Gottes nur gegeneinander. Ich kann mich auf jeden Fall nicht entsinnen, wann die letzte gute gemeinsame Jam gewesen ist.

Dingo: Woran ich mich ganz gut erinnern kann, ist die Aussage von Hombre: "Du hast hier viele Sandsteingebäude, da wird einfach nicht gesprüht, das ist ein ungeschriebenes Gesetz!" Würdet ihr dem zustimmen, wenn ich sage, Grundvoraussetzung für Graffiti, ist eher ein urbaner Dschungel, eine industrielle "Sprayer-Utopie", Fabrikgebäude, Bahngleise und Tunnel? Vielleicht kann man sich als Graffitikünstler hier gar nicht so sehr verwirklichen, wie es in anderen Städten der Fall ist. Dass wäre doch möglicherweise eine Erklärung, warum sich das Ganze hier nicht so groß entwickelt hat, oder?!

Kid Crow: Ich kenne die Szene in Nürnberg erst seit 98/99. Da habe ich so wirklich zum ersten mal wahrgenommen, dass hier etwas passiert ist. Es gab wohl in den 90ern schon eine starke Bewegung hier. Es gab ein paar richtig aktive Maler, die Ambitionen hatten, sich deutschlandweit zu vernetzen, die auch viel Kisten, also Züge gemalt haben und somit auch Nürnbergs Szene auf ein gewisses Level gehoben haben. Ich glaube, dass es letzlich die polizeiliche Repression war, Ende der 90er, die für einen regelrechten Niedergang gesorgt hat. Da ist eine Generation gestorben, bzw. regelrecht verdrängt worden. Daraus folgte für mich, dass es zwischen der alten und der neuen Generation ab da keinen Transfer mehr gab - da ist alles recht versickert. Alles was so da war an Boden, ist mehr oder weniger versandet. Die neue Generation, die nachkam, da hat jeder eher sein eigenes Süppchen gekocht. Sicher wurden auch da noch Kisten bemalt und es war der ein oder andere gute dabei, aber eine richtige Quelle, ein geballtes Team gab es dann nicht mehr. Soweit ich mich erinnere, gab es hier auch ein Nürnberger Graffiti-Magazin, das "Quiet Riot", welches sowohl vom Inhalt als auch von der Ausführung genial war. Da war alles dabei - nach dem Motto "Papier und Schere", es war gebastelt, gemalt. Somit war es ein echtes Sammlerstück, schön, aufwändig.

Amos: Ich habe es noch.

Kid Crow: Ja, ich auch. (Beide lächeln)

Kid Crow: Wenn man sich das also genauer anschaut und es als Beispiel nimmt, sieht man, dass hier mal wirklich etwas ging und das es auch eine gewisse Qualität hatte. Ich kann mich auch erinnern, bei "Top Choice" bei einer Ausstellung in Erlangen, da waren auch viele Nürnberger dabei, wo du wirklich den Eindruck hattest, O.K., die sind schon ziemlich vernetzt. Da waren auch Augsburger und Münchner dabei, sogar ein Bild von DAIM war dabei. Aufgrund Dessen, hatte man schon das Gefühl, dass Nürnberg auf der Landkarte ein wichtiger Spot war, jedoch ist das scheinbar Anfang der 2000er rapide den Bach runter gegangen. Warum sich dann wiederum nichts mehr ergab, kann ich mir gar nicht erklären. Es gab ja nach wie vor gute Künstler in diesem Bereich, aber scheinbar hat sich jeder nur abgeschottet. Da wollte wohl keiner was abgeben und weitertragen. Es machte den Eindruck auf mich, als sei es fast schon zu elitär. In sich geschlossen nach außen aufzutreten war wohl für diese Leute sinnig, jedoch glaube ich, dass man sich in einer Großstadt schon ein Stück weit öffnen muss. Das wurde scheinbar versäumt und deswegen ist wohl auch hier etwas so richtig weggestorben.

Amos: (Nickt zustimmend) Genau. Ich finde ja, gerade der Nachwuchs hat es recht schwer hier, anerkannt zu werden. Es macht für mich den Eindruck als sei es oft nur ein schneller Blick von oben herab auf die Jungen. Das ist etwas, was ich gar nicht verstehen kann.

Um das, was Kid Crow auch schon erwähnte, aufzugreifen: Früher, da wurde Wert auf Qualität gelegt, es wurden richtig viele Aktionen gefahren, aber das ist regelrecht weggebrochen. Nicht, dass es heute nicht noch Aktionen gäbe, aber es sind eben inzwischen richtig wenige. Obendrein wird es relativ schnell wieder weggemacht, nachdem ein Bild an der Wand ist.

Dingo: Man könnte also aus euren Erzählungen schließen, dass es durchaus schlüssig ist, warum die Szene inzwischen so klein daherkommt. Die aktiven Gruppen von früher wurden großteils von der Polizei hochgenommen, einige hören auf, andere gehen in die freiwillige Isolation. Folglich finden jüngere Sprayer keine Vorbilder in ihrer näheren Umgebung und/oder haben Angst in einer Gruppe schneller von der Polizei erkannt zu werden und wählen ebenfalls den Weg des Einzeltäters.

Kid Crow: Ich glaube definitiv, dass dieses Netzwerk damals so zerschlagen wurde. Man muss sich das einmal vorstellen: Diejenigen, die festgenommen wurden, hatten mit den entsprechenden Konsequenzen zu kämpfen - sprich, horrende Summen an Schadensersatzzahlungen abtreten und eine Bewährungsstrafe oben drauf. Dass man sich dann erst einmal bedeckt hält ist nachvollziehbar. Wenn du dann Mitte Zwanzig/Anfang Dreißig bist, überlegst du dir zweimal, ob du deine Karriere als teils illegaler Graffiti-Sprüher weiter verfolgst. Da verschieben sich dann Prioritäten - eine Familie und der Beruf werden wichtiger, als jedes Wochenende Kisten malen. Diese Genration, ob nun bewusst oder nicht, hat es einfach versäumt, etwas an die damaligen Einsteiger weiter zu tragen. Dass ein gewisser Bedarf besteht, sich an Vorbildern zu orientieren, merke ich ständig, wenn ich mit den Style Scouts unterwegs bin und Workshops gebe. Man muss es sich folgendermaßen vorstellen: Du bist 13-14 Jahre alt und läufst durch die Stadt, versuchst dich an andere zu orientieren und alles was du in erster Linie siehst, sind irgendwelche Silber-Pieces (Chromes - siehe Bericht über HOMBRE) mit "Ultras Nürnberg". An diesen braucht man sich ja wirklich nicht zu orientieren, da sie stilistisch gar nichts zu bieten haben. So hat man schnell ein Problem, wenn man in einer Orientierungsphase ist. Wenn Kids früher ans ASN, Lindenhain, Erlangen gefahren sind, da hattest du ein Piece nach dem anderen, an welches du dich orientieren konntest. Da war jedes Bild in sich rund und jeder Style war vorhanden.

Amos: Früher war man schon ganz schön geflasht, dass ergibt sich heute nicht so leicht, wenn man diese armseeligen "BDA" und "UN" überall liest.

Kid Crow: Die haben ja auch am Style nicht wirklich einen Anspruch.

Dingo: Ich würde sagen, die verfolgen auch einen ganz anderen Zweck. Um mal kurz einen anderen Aspekt aufzugreifen: Mir ist in Nürnberg aufgefallen - und ich bin auch ein sog. Zugereister - die Hip-Hop-Kultur ist hier nicht so wahnsinnig groß. Authentische Gruppen gibt es kaum. Graffiti und Hip-Hop, das waren für mich zwei Dinge, die unweigerlich zusammen gehört haben. Diese beiden Welten haben sich schon immer gegenseitig befruchtet, wenn man es denn so nennen darf. Zu Hip-Hop Jams gehören Sprayer, gehören Walls, die bemalt werden und Sprayer hören oft gerne Hip-Hop. Sowas habe ich in der Zeit, seitdem ich in Nürnberg wohne so gar nicht wahrgenommen. Wenn man nun hergeht und bewusst nach Hip-Hop-Formationen sucht, lässt sich schnell feststellen, dass es nicht so rosig hier aussieht. Gut, der Fairness halber, muss ich sagen, GegenStyle ist zugange, die jungen 52er, die noch an sich feilen müssen, Automatikk, die eine ganz andere Richtung fahren. Das wars.

Kid Crow: GegenStyle sind, glaube ich sogar Hinzugezogene.

Amos: Wo noch was geht ist Fürth: Da gibt es noch, salopp gesagt, Jugenhaus-Jams. Organisiert wird das Ganze von ehemaligen B-Boys, Sprühern und einigen Hip-Hoppern. Da habe ich vor allem ein bestimmtes Jugendhaus im Kopf hinter dem Fürther Bahnhof, jedoch ist mir der Name entfallen. Aber da sind es genau eben diese Ehemaligen aus dieser Zeit, Ende der 90er, die das organisieren.

Dingo: Ah, jetzt wo du Fürth sagst, da werden sicher einige Leute böse, wenn ich sie unerwähnt lasse. Da gibt es natürlich noch die englischsprachigen Jungs Mad Rush und Cronite. Die Jungs gehören natürlich auch schon zur guten, alten Garde. Über ein paar Ecken habe ich aber auch gehört, dass sich Cronite aus dem MC-Geschäft zurückziehen will und nur noch hinter den Kulissen arbeiten möchte. Wenn ich mir das vor Augen führe, frage ich mich: Bin ich wirklich schon so alt?

Kid Crow: Zum Thema Hip-Hop wollte ich noch was sagen. In der Sparte B-Boys geht tatsächlich noch was, da sind noch viele aktiv. Da werden Jams veranstaltet und Tänzer BRD-weit herangekarrt. Man merkt, da ist noch ein festes Netzwerk da. Das finde ich sehr positiv. Ich war kürzlich im East-House in Erlangen, ich kenne da auch jemanden, den Markus O., der das alles organisiert. Vor ihm muss ich wirklich meinen Hut ziehen. Er ist sehr engagiert und macht auch alles ehrenamtlich. Die organisierten Veranstaltungen sind immer sehr ehrlich und authentisch. Das ist wirklich eine schöne Nummer. Würde es etwas vergleichbares hier im Graffiti geben würde die Sache ganz anders aussehen.

Amos: Definitiv.

Kid Crow: Aber gut, dass sind leider doch zwei verschiedene Paar Schuhe. B-Boys sind sowieso eher "Crew-Leute" und Sprüher dann wohl doch eher die Eigenbrötler. Ansonsten fällt mir zum Thema Hip-Hop nur ein, dass es Mitte/Ende der 90er und Anfang der 2000er ein Masenphänomen war. Deutsch-Hip-Hop und diese dazugehörenden Jams waren damals riesig. Es kamen wahnsinnig viele Menschen um sich das anzuschauen und das ist einfach abgeebbt. Es gibt schon immer noch gute MC´s, aber die kochen auch vermehrt ihr eigenes Süppchen, nehmen alleine daheim auf und verbreiten ihre Kunst mehr über das Internet. Qualitativ sind inzwischen ja kaum noch Unterschiede - da kann einer aus Buxtehude schnell klingen wie ein Rapper aus Chicago, wenn du verstehst was ich meine.

Dingo: Spielt vielleicht wirklich der Faktor Internet eine so große Rolle? Ich nehme jetzt einfach mal bewusst das Internet als Sündenbock und sage: Das Internet ist zum Großteil dafür verantwortlich, dass die Leute nicht mehr auf die Straße gehen um Kunst zu erleben, oder sie unter die Menschen zu bringen, sondern man bleibt schön daheim. Warum sollte ich illegal eine Wand bemalen und eine Strafe riskieren, wenn ich doch daheim etwas malen, online stellen und meine Likes bekommen kann?

Kid Crow: Wenn man vom Motivator "Fame" ausgeht, dann bringt einen das Internet natürlich schnell viel weiter. Die Reichweite ist größer. Ich zähle jetzt mal Nürnberg schon zu den Großstädten, da bräuchte man das Internet nicht zwingend um zu einem gewissen Ruhm zu kommen. Wenn du jedoch auf dem Dorf wohnst, dann ist das Internet ein wichtiges Medium für dich. In Nürnberg habe ich da gemischte Gefühle. Ich glaube, dass es da schon einen gewissen Abturn-Faktor gibt. Vielleicht willst du gar nicht, dass ein Bild von dir publiziert wird und dann siehst du ein Foto davon in einem Bilder-Blog. Das kann schon nerven. Da bekommt jemand anders den Fame. Ich würde wahrscheinlich das Internet nicht als Sündenbock für die Gegebenheiten in Nürnberg hernehmen.


Amos: Sehe ich ähnlich. Im Gegenteil sogar. Ich sehe es als was Positives. Es ist gut seine Arbeiten nach Außen tragen zu können, seinen eigenen Fankanal zu haben. Wie K.C. schon meinte, wenn du auf dem Dorf wohnst ist das die einzige Möglichkeit mal irgendwo anders seine Bilder zu veröffentlichen und entsprechend Reaktionen zu bekommen. Alleine der Prozess des Filmens und Fotografierens, wie platziere ich das richtig, wo stelle ich es ein, passt das Licht, ist schon auch eine spannende Angelegenheit. Man lädt sein Bild hoch, beispielsweise auf Facebook und man bekommt seine Likes darauf. Es ist nichts Verwerfliches, sich seinen Fame dadurch zu holen. Das spornt auch an.  Ich bin aber auch aus einem anderen Grund Fan vom Internet - man kann Beziehungen pflegen. Ich habe durch das Malen viele Freunde kennegelernt, beispielsweise in Düsseldorf, München oder Regensburg und da ist das Internet einfach sehr praktisch bei der Kommunikation. Sei es ein Chat oder eine Facebook-Gruppe, die Organisation ist einfach viel leichter dadurch.

Dingo: Wäre das auch ein guter Anstoß für die jungen Graffiti-Sprüher hier, sich über das Internet besser zu vernetzen? Wäre es da nicht auch gut, wenn einer eurer Generation das Ganze initiiert, die Jungen bei der Hand nimmt? Könnt ihr euch sowas vorstellen? Oder sollte man vielleicht doch lieber die Jungen von der Leine lassen und sie mal lieber machen lassen und schauen was passiert?

Amos: Es gab schon Foren die ihren Schwerpunkt in Nürnberg und Fürth hatten, man nehme fuerthstyle.de oder word-is-life.de(nix gefunden A.d.R.), wallzoffame.de, hvl(?). Fürthstyle war sogar die aktivste von ihnen, wenn ich mich recht entsinne. Es gab schon 4-5 aktive Nürnberger Seiten. Es gibt noch 2-3 von ihnen, aber gepflegt werden sie nicht. Irgendwo kann ich das auch verstehen, wenn man in meinem Alter ist, 40-45 Stunden die Woche arbeitet....ich habe auf jeden Fall nicht den Nerv mich um eine solche Seite zu kümmern.

Kid Crow: Das kann leider auch ganz schön in die Hose gehen. Oft sind in einem Portal auch nur die übliche Verdächtigen drin, ein eingeschworener Freundeskreis, der sich nur versucht gegenseitig zu pushen. Wenn eine Seite also wirklich repräsentativ sein soll, dann müsste man filterlos jeden Mist fotografieren und posten. Jede Street Art, jede Schablone. Ich kenne einen Fall, wo das so ist...und zwar in Zürich. Da gibt es so einen Blog, oder eine Website, auf der wirklich alles abgebildet wird. Das macht schon gar keinen Spaß mehr reinzuschauen, weil wirklich jedes noch so schlechte Anfängerbild drin ist. Da wird wirklich alles mit dem selben Aufwand abgefeiert. Da gibt es natürlich auch richtige Kontroversen. Alte Sprüher regen sich da teilweise total darüber auf, warum jedem Affen ein Podium geboten wird. Die denken sich "...die machen unsere Walls kaputt mit so einem Mist". Also, ich weiß es nicht, möchte ich damit sagen, ich weiß nicht was ich davon halten soll.

Was ich viel cooler fände, wäre ein gut gepflegtes Graffitimagazin in Nürnberg, welches als so eine Art Jahresrückblick rauskommt. Das wäre wirklich geil. Da hätte man eine Dokumentation darüber was passiert ist und es würde dieser Stadt auch wieder ein gewisses Selbstbewusstsein im Graffiti wiedergeben. Ganz bewusst sollte es auch Papier und auch etwas Hochwertiges sein. Das wäre sicher auch eine Motivation für Kids, qualitativ hochwertige Sachen zu machen.

Dingo: Sollte das in Form einer Verlosung vielleicht passieren? Schickt uns eure Arbeiten und die Besten werden aufgenommen.

Kid Crow: So weit würde ich gar nicht gehen, einen solchen Druck aufzubauen. Am besten einfach nur die Message: Schickt uns eure Arbeiten ein und wir wählen die Besten für das Magazin aus. Wenn es dann ein gewisses Niveau aufweist und in den Arbeiten eine Konsistenz vorhanden ist, nimmt man es ins Magazin auf.

Amos: Es gab ja auch solche Anläufe, im Schwarz-Weiß-Format, aber leider auch wieder recht einseitig. Es waren nur Bilder von Künstler X von Gruppe Y zu sehen. (Beide lachen) Aber dennoch, wenigstens hat es mal jemand gemacht. Es ist motivierend, seine Sachen auch in Papierform mal zu sehen. Nachdem Bilder auf Zügen oder auch andere Sachen schnell wieder übermalt oder weggemacht werden, muss man seinen Bildern anders zu ewigem Bestehen verhelfen - sei es flickr, tumblr oder streetfiles (alles im Internet zu finden, A.d.R.). Der Ritterschlag ist da natürlich schon ein echtes Format, sprich ein gedrucktes Magazin. Aber da fängt es ja schon an - dieses vorhin besagte Magazin habe ich im Schizophren gekauft, einem kleinen Laden für Writer, den gibt es leider auch nicht mehr. Alles was es noch gibt, ist der Laden 12, der ein paar Montana-Cans zu verkaufen hat.

Dingo: Zwischen lauter Klamotten und Modebewussten und Verkäufern, kauft der hiesige Writer nicht gerne seine Dosen. So ist das nun mal leider. Gibt es nicht auch noch den Dosen-Dealer in der Passage in der Vorderen-Sterngasse?

Amos: Ach, du meinst den so-called Dosen-Inder?

Kid Crow: Ne, den gibt es leider auch nicht mehr.  Wobei ich mir auch nicht so sicher bin, inwiefern eine Stadt einen Dosenladen braucht, um eine Szene zu haben.

Amos: Jein. Es schadet sicher nicht, wenn man eine Anlaufstelle hat und man merkt, dass da jemand sein Herzblut in sein Hobby steckt und in einem Laden eben dieses nach Außen trägt. Früher war es der Schwarzmarkt, dann Schizophren. Heute möchte ich nicht in einen Klamottenladen gehen, mich von einem Verkäufer beschwafeln lassen, damit ich dann ein 40€-teures T-Shirt kaufe und das nur, weil ich eigentlich ein paar Dosen erwerben will.

Kid Crow: Es muss nicht immer ein reiner Graffitiladen sein, aber es gibt einfach bestimmte Elemente die gut miteinander können und andere eben nicht. Ein Hip-Hop-Store, der auch eine gute Auswahl an Kannen hat - das passt schon gut zusammen. Das Jump Sports in Stuttgart oder Mighty Weeny in München, dass sind solche Läden. Sowas fehlt hier leider.  Aber das hat sich auch ein wenig verändert. Es sind eher kleine Concept-Stores. Es gibt nur Kannen und Zubehör und dann kannst du vielleicht noch ein paar Schuhe kaufen, aber das war es dann auch schon. Der klassische Hip-Hop-Store ist das dann auch nicht mehr. Da würde eher sowas wie Montana Gallery was bringen, wie in Barcelona. Da gibt es eine riesige Auswahl an Dosen, aber auch dazu passende Bücher, selbst gesiebdruckte Shirts von Writern und eine Gallery inmitten des Ladens. Das macht die Sache interessanter, für alle wertvoller. Ich könnte mir vorstellen, dass sowas in Nürnberg eine Zukunft hätte. Man darf ja nicht vergessen, wie groß das Einzugsgebiet von Nürnberg ist. Da kommen ja mindestens 1 Mio. Menschen zusammen, wenn 10% davon ein Interesse an Graffiti haben, dann ist das schon mehr als genug.
Es hat ja auch Urban Outfitters in der Innenstadt aufgemacht - ich weiß nicht ob ihr es mitbekommen habt. Das ist natürlich irgendwo auch ein Kunst/Street Art Sell-Out, aber zumindest werden verschiedenste Menschen auf das Thema urbane Kunst sensibilisiert. Diesen Laden gibt es nur in Hamburg, Berlin und Frankfurt. Da ist Nürnberg schon wirklich eine Ausnahme und dadurch ergibt sich sicher auch für andere Geschäfte ein Mehrwert. Ich kann mir gut vorstellen, dass ganz viele Menschen einen oben genannten Store mit Graffiti, Sneakers, Schallplatten und Bücher voll abfeiern würden.

Amos: Ja, sehr richtig. Wie schon gesagt, ein Laden wie früher der Schwarzmarkt fehlt heute einfach. Letzten Endes, muss sich nur einer finden, der das in die Hand nehmen möchte. Jemand der die Leute kennt, der geschätzt wird in der Szene und da richtig Bock darauf hat.

Kid Crow: Man könnte es ja auch als Vereinsstätte aufziehen, als Treffpunkt für Viele. Es könnten auch mehrere gemeinsam machen, aber es müssten sich eben einfach die Leute finden. Einfach jemand, der sich rausnimmt und mehr andere Leute pushen möchte. Das ist leider auch das Problem, ich weiß nicht, ob es eine solche Person, oder eine solche Gruppe hier gibt.

Dingo: Was mir in diesem Zusammenhang einfällt: Kennt ihr die LIKE WOW Jungs? Die haben vor kurzem in der Mostgasse, hinter dem Weißen Turm einen kleinen Laden eröffnet. Die haben eigene Klamotten, ein paar Skateboards. Die sind fest in der Szene verankert (Skateboardszene). Die stellen auch ihre eigenen Obstacles her und stellen sie einfach mitten auf eine Skatespot, oder auf einen öffentlichhe Platz, fahren, filmen, oder eben nicht und ziehen damit wieder weiter. Alles wird liebevoll von ihnen bepinselt und zuge-tagged. Das finde ich richtig gut. Das ist authentisch. Da wäre doch ein gewisses Potential da, ein von euch genanntes Konzept zu verwirklichen.

Kid Crow: Das ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, einige Dinge miteinander zu verbinden, aber dazu müsste der Laden gut wirtschaften können. Momentan glaube ich, dass sich das monetär leider noch nicht lohnt.

Dingo: Da liegst du meiner Meinung nach auch leider richtig. Da ist ein zu großer Konkurrent da, mit einer viel zu großen Diversität, der scheinbar alles hier in der Gegend verschlingt und seine Monopolstellung auch gerne mit unfairen Mitteln verteidigt.

Amos: Pfui, T-X-pfff. Ähem, sorry, hatte einen Frosch im Hals.

Kid Crow: Ja, der Idealismus bei den Jungs ist scheinbar da, jetzt fehlt nur noch die Umsetzung.

Amos: Ich war auch schon dort. Der Laden ist tatsächlich klein, aber auch sehr schön. Auf jeden Fall hoffe ich, dass die Jungs ein bisschen Geld damit verdienen können. Es ist auf alle Fälle ein Gewinn für die Szene.

Dingo: Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber das Skateboardfahren hat für mich die Türen zur urbanen Kunst geöffnet und dazu zähle ich Graffiti und Hip-Hop. Ob man es selber gemacht hat oder einfach nur über die Sachen gestaunt hat, es war einfach alles stimmig und zusammen gehörend.

Amos und Kid Crow einstimmig: Ja, bei mir auch....nur dass es schon sehr lange her ist.

Dingo: Ich finde konzeptionell wäre das gut zusammen passend.

Kid Crow: Ich finde es lustig, dass du das Thema ansprichst und auch dass du erzählst, wie die Jungs im semilegalen Bereich hier ihre Obstacles durch die halbe Stadt ziehe. Hombre und ich hatten uns das auch schon überlegt, einfach mit einem Plakat durch die Stadt zu ziehen und ein Bild vor den Augen der Passanten zu malen. Dadurch wird man einfach wieder präsent in einem öffentlichen Raum. Das klappt im Internet leider nicht so schnell. Im Internet wäre ich austauschbar, im Stadtzentrum wärst du mit so einer Aktion einmalig.

Amos: Das hatte ich mir auch schon überlegt. Aber eben einfach direkt dort, wo die Skater sind am Germanischen Museum. Das würde auf jeden Fall Aufsehen erregen.

Dingo: Ein Fazit daraus: Da wo sich alles früher schon zusammengefunden hat - warum sollte man nicht da wieder ansetzen und den Stein wieder ins Rollen bringen! Eine gute Gelegenheit dafür würde sich bei der hoffentlich bald kommenden Eröffnung des neuen Skateparks auftun. Da würde eine solche Aktion auf jeden Fall gut reinpassen. Sprich: Eröffnungsfeier, Walls, Skate Contest und Hip-Hop.

Amos: Genau das dachte ich mir auch schon, als der Park in Kammerstein bei TX Sports eröffnete und habe eine freundliche Mail geschrieben, ob man da etwas zusammen starten könnte. Leider kam da nie eine Antwort darauf zurück. Schade!

Kid Crow: Wir, also Hombre und ich, wollen ja auch nächstes Jahr ein Urban Art Festival veranstalten, haben auch schon grünes Licht, aber mit den Finanzen ist noch nicht alles geklärt und da war auch unsere Intension, einfach das Thema wieder auf den Schirm zu bringen.  Als Hombre hier herkam - und man muss dazusagen, dass er aus Mannheim kommt und dort eine stabile Szene vorhanden ist - war er regelrecht vor den Kopf gestoßen, als er feststellen musste, dass es hier einfach mal fast gar nichts gibt. Es gibt kein Bombing, legal gibt es auch nix, deswegen hat er da schon Bock darauf, Graffiti hier zu pushen. Wir hoffen das Beste und wünschen uns große Resonanz.

Dingo: Vielleicht sollte wirklich jemand in der Stadt vor Menschen malen und dann geht jemand mit dem Klingelbeutel rum. Der Erlös wird gesammelt und in ein Zentrum für urbane Kunst gesteckt. Das ist zumindest die Vision.

Amos: Ein Kickstarter fehlt auf jeden Fall. Und am Ende liegt es einfach an den Leuten, was sie daraus machen.

Dingo: So, jetzt noch ein paar letze Worte!

Kid Crow: Mir fällt da nur noch ein Punkt ein: Es müsste ein Writers Corner eingeführt werden. Das wäre so einfach. Meinetwegen ein Stammtisch oder ein Termin an dem man sich trifft, jeder darf kommen und man unterhält sich, schreibt sich gegenseitig in die Black Books und tauscht sich aus. Früher traf man sich dazu in der Unterführung, unter Brücken, chillte zusammen, malte sich in die Black Books und plante Aktionen, evtl. fotografierte man auch seine Bilder an Zügen oder Wänden. So muss das sein, aber eben nicht mehr unter einer Unterführung, sondern regelmäßig in einer Kneipe oder so ähnlich.

Amos: Ich kann einfach nur an alle appellieren, die malen oder es wollen, damit weiter zu machen und Kunst auf einem guten Niveau nach Außen zu tragen. Einfach den Arsch hoch bekommen. Es wird Winter, es wird kalt, malen kannst du trotzdem, halt. (alle lachen)

Dingo: Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch. Ich hoffe es rüttelt ein paar Leute wach.



  

Nice Sneaks





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8 comments

  1. Wow ein echt tolles Interview. Hier in Augsburg haben wir die Bunten e.V. Die richten Jams aus und so was.

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    1. Das hört sich richtig gut an. Sowas bräuchte NBG auch!

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  2. also erstmal will ich sagen, dass ich respekt für unsere hall atzen amos und crow habe....aber ich finde es eine unverschämtheit,was hier berichtet wird.....szene verebbt und so...elitär...kein movement... ich bin stolz auf die nürnberger szene und und was hier graffiti technisch, tag für tag geleistet wird... mir kommt es einwenig so vor als ob hier rückenschwimmer übers tauchen philosophieren... es giebt eine lebendige, vernetzte szene...writer aus ganz deutschland und europa können dies bestätigen... nürnberg ist king und in newyorker tradition...wenn ihr versteht..und das es hier härter ist als sonstwo schreckt die üblichen verdächtigen seit jahren nicht im geringsten ab...wir sind nicht buxtehude! es macht einfach nur wütend das hier zu lesen und es ist wie ein schlag ins gesicht! ihr solltet euch schämen ja amos schämen ja crow schämen! euch fallen also was graff hier in nürnberg anbelangt nur bda und die ultras ein? ja schämen sollt ihr euch und meinen respekt habt ihr verloren! sehr unprofesionell und halbwissend! die verdächtigen!

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    1. Lieber Anonymer, liebe Verdächtige,

      vielen Dank für den Kommentar. Ich freue mich, wenn jemand lange Artikel aufmerksam liest. Gerne würde ich auch euch/dich zu diesem Thema interviewen, selbstverständlich wird auch hierbei die wahre Identität respektiert. Ich würde mich freuen eure Eindrücke einfangen zu können. Falls ihr also dies lesen solltet, würde ich euch bitten, direkt im Kontaktformular dieser Seite eine Nachricht zu droppe, wie so schön Neudeutsch heißt. Beste Grüße

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  3. Wo ist denn dieser Graffiti Workshop???

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    1. Schau mal bei nach http://stylescouts.de oder schreib den jungs direkt mal per facebook ;)

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  4. hallo zusammen
    nürnberg ist eine haterstadt das ist das einzigste problem das dort herscht
    klar gab es nach 2000 crews die activ waren im illigalen bereich Top,DSC,PS,THE...
    auch bei meinem letzten besuch in nbg habe ich festgestellt das die lines sehr activ bemalt werden(CWR)also jungs nicht nur an der fame malen sondern auch ma anderes zeug malen und dan urteilen


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  5. riiiiichtig geiles interview :D thx

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